Der Schulalltag lässt Schülern und Lehrkräften in der Regel wenig Zeit zum Durchatmen und Innehalten. Phasen des Ruhigwerdens und Verweilens sind nicht nur innerhalb eines Lernprozesses von immenser Bedeutung, sondern lassen den Menschen erst wahrhaft Mensch sein und somit Gott ähnlich werden. Die Fortbildung beleuchtete den Stellenwert „heiliger Tage – holy days“ im Kontext Schule und ermutigte die Teilnehmer/innen, heilige Zeiten im jeweiligen Schulalltag zu kultivieren.
Die Leitung hatte Thomas Riebel. Als Referentinnen fungierten Helga Kiesel und Ulrich Geißler (Schulpastoral Würzburg).
Inhaltlich ging es darum, die eigene Spiritualität zu reflektieren und Anregungen aufzunehmen, wie Gottesdienste und spirituelle Angebote in der Schule gut gestaltet werden. Neben Impulsen durch die Referenten bereiteten die Teilnehmer/innen in Kleingruppen auch selbst ein spirituelles Angebot vor. Danach wurde es in der Gesamtgruppe durchgeführt und besprochen.
Am Mittwoch wurde gemeinsam mit Domdekan Prälat Günter Putz Eucharistie gefeiert und ein Ausflug mit Führung durch das Domquartier Salzburg unternommen.
Das Impulsreferat von Ulrich Geißler wird hier, auch als Anregung für Lehrkräfte, die nicht an der Fortbildung teilgenommen haben, wiedergegeben.
Zur Ruhe kommen, das Leben deuten und feiern
Gottesdienste und spirituelle Angebote in der Schule
Leistungsdruck, klare Zeitvorgaben, hoher Lärmpegel und eine Fülle von Aktivitäten prägen oft den Alltag in der Schule. Nur selten haben Lehrkräfte und Schüler/innen die Gelegenheit zum Atemholen, Entspannen und zur zweckfreien Begegnung.
Manchmal ergeben sich besondere, kostbare Momente im Schulalltag wie von selbst – ein gelungenes Gespräch im Unterricht, eine Begegnung bei einer Klassenfahrt, eine Zeit berührender Stille am Beginn des Schultages.
Im Lebensraum Schule lassen sich auch als Gegenpol zu Stress und Hektik bewusstZeiten und Punkte der Ruhe und Entspannung setzen, bei denen die Beteiligten aus der Kraft des Glaubens schöpfen und für den (Schul)Alltag gestärkt werden.
Schon seit Jahrtausenden bringen Menschen die ganze Bandbreite ihrer Erfahrungen in Klage und Bitte, in Lob und Dank vor Gott und sammeln Energie für ihr alltägliches Leben. Menschliche Erfahrung verlangt von Zeit zu Zeit nach einem ganzheitlichen Ausdruck des Erlebten, nach religiöser Deutung und symbolischer Vergegenwärtigung.
Diese Aufgabe erfüllt im christlichen Glauben in besonderer Weise die liturgische Feier. Hier vergewissert sich der Mensch der Gemeinschaft mit dem lebensstiftenden Gott und untereinander und schöpft Freude und Kraft aus der Zusage Gottes, dass er das Leben begleiten und tragen will.
Im Raum der Schule kann dieses Grundverständnis von Liturgie nicht unbedingt vorausgesetzt werden. Kinder und Jugendliche bringen oft wenig Vorerfahrung von Liturgie mit und haben nicht selten Distanz zur sonntäglichen Messfeier der Pfarrgemeinde.
Viele Kinder und Jugendliche sind aber aufgeschlossen und offen für religiöse Feiern und spirituelle Angebote im Rahmen der Schule. In gelöster und stimmiger Atmosphäre ein Fest zu feiern – dafür lassen sich Kinder und Jugendliche gern begeistern.
Auch über die verschiedenen Milieus hinweg, die in Jugendstudien festgestellt wurden, kann man festhalten, dass Jugendliche
auf der Spur nach dem eigenen Lebenssinn Orientierung wünschen
Trost in schweren Lebenssituationen und Halt in Krisenzeiten brauchen
Kraft und Lebensenergie tanken wollen
die Auseinandersetzung mit Werten suchen
Erlebnisse von Gemeinschaft und Begegnung erfahren wollen.
Um so wichtiger ist die Aufgabe, im Rahmen des Religionsunterrichtes und mit spirituellen Feiern, den Menschen an der Schule einen situationsgerechten Zugang zu symbolischen und liturgischen Grundvollzügen zu ermöglichen und in direktem oder übertragenen Sinn neue Räume zu eröffnen, um in ihrer Gottesbeziehung wachsen zu können. Besondere Möglichkeiten ergeben sich, wenn an der Schule ein „Raum der Stille“ existiert.
In kreativer Weise lässt sich das ganze Spektrum meditativer und liturgischer Formen nutzen, um immer wieder zu einer symbolischen Deutung des gemeinsam Erlebten einzuladen.
So kann sich eine Feierkultur an der Schule entwickeln, bei der das Alltagsgeschehen durch die Frage nach Gott vertieft, gedeutet und positiv bewältigt wird.
Damit geschieht auch ein wertvoller Beitrag zur Gestaltung des Schullebens und der Schulkultur, indem Elemente zur „Verlangsamung“ oder „Unterbrechung“ stressiger Zeiten angeboten werden.
Das bewusste Innehalten im Schulalltag und Kultivieren heiliger Zeiten fördert die Persönlichkeitsentwicklung und stärkt die Schulgemeinschaft.
Um die Menschen am Lebensort Schule in liturgischen und spirituellen Vollzügen zu erreichen, sind folgende Aspekte von Bedeutung:
Liturgie sollte im Zusammenhang mit dem erlebten Leben stehen, sie sollte die Erfahrungen und Lebenssituationen der Menschen in der Schule einbeziehen und aufnehmen.
Kinder, Jugendliche und Lehrkräfte sollten an der Vorbereitung und Gestaltung aktiv beteiligt sein. Liturgische Feiern sollten in Sprache, Ausdruck und Gestaltung dem Horizont und dem Alter der Feiernden angepasst, ästhetisch ansprechend sowie lebendig und einladend sein.
Oft werden liturgische Feiern und spirituelle Angebote in der Schule ökumenisch gestaltet und freiwillig angeboten.
An besonderen Wendepunkten des Lebens (z.B. Anfang und Ende der Schulzeit, Todesfall) sind Schüler und Eltern besonders offen und dankbar für eine religiöse Deutung und Vertiefung.
Beispiele:Segensfeier für Erstklässer, Anfangsgottesdienst für Fünftklässer, Tankstelle vor der Abschlussprüfung, Feier zur Schulentlassung, Trauerfeier...
Zu besonderen Zeiten im Rhythmus des Schuljahres und Kirchenjahres gibt es vielfältige Möglichkeiten spiritueller Angebote und liturgischer Feiern, sei es im Rahmen der gesamten Schule, kleiner Gruppen oder im Unterricht der Klasse.
Beispiele:Feier des Namenstages oder Geburtstages, Worte in den Tag (in der Klasse oder über die Sprechanlage der Schule), Morgenimpulse, Morgenkreis, Segensworte, Kurze Stille am Beginn der Unterrichtsstunde oder andere Formen von Stilleübungen, „Apfelfest“ zum Erntedank, Nikolausfeier, Frühschichten und Besinnungen zur Advents- und Fastenzeit, Adventliches Schulradio, Adventliche Besinnung mit Frühstück für das Lehrerkollegium, Adventssingen, Schulkreuzweg, Lob der Schöpfung außerhalb des Schulhauses, Schülerwallfahrt, Traum- bzw. Fantasiereisen, Fürbittbuch, Ruhige Pause mit meditativer Musik im Raum der Stille, Feier eines Schuljubiläums, Interreligiöses Fest mit Speisen der Religionen...
Ulrich Geißler