Mit diesen Worten eröffnete der Vorsitzende der Konferenz der Leitungen der bundesweiten kirchlichen Schulabteilungen, Dr. Jörg Dieter Wächter, die Jubiläumsfeier. Er dankte dem Zentrum für Lehrerbildung und dem Forschungsfonds der Universität Koblenz-Landau, dem Institut für Lehrerfortbildung in Mainz und dem Vorbereitungsteam unter der Leitung der Theologieprofessorin Dr. Angela Kaupp für die Unterstützung und für die Durchführung des Bildungskongresses.
In seinem Grußwort wies der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters darauf hin, dass sowohl die Erklärung der Deutschen Bischöfe als auch das 2015 erschienene Handbuch Schulpastoral dazu beitragen, dass in vielen Bistümern die Bedeutung und die Möglichkeiten der Schulpastoral erkannt werden. Er halte den Perspektivwechsel für notwendig, der in der Schulpastoral dazu führe, sich an konkreten Situationen und Charismen zu orientieren. Als bemerkenswert wertete der Weihbischof, dass die Jubiläumsfeier in Verbindung mit dem Kongress „Pluralitätssensible Schulpastoral“ auf dem Campus der Universität Koblenz stattfinde. Eine Begegnung mit der Kirche sei eben auch in öffentlichen Räumen möglich.
Im Festvortrag begrüßte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken in Deutschland, Prof. Dr. Thomas Sternberg, die Freude und Bereitschaft, in den Schulen Verantwortung zu übernehmen und an der Gestaltung des Lebensraumes Schule mitzuwirken. Gerade angesichts der Ausweitung in den Ganztagesbereich seien die Aussagen der Deutschen Bischofkonferenz vor zwanzig Jahren immer noch aktuell. Im Ganztagesbereich sei die Schulpastoral ein Akt der kirchlichen Diakonie. Sie sei durch vielfältige Anlässe angefragt. Auf dem Hintergrund des Kongresses stelle sich zukunftsorientiert die Frage, wie Fortbildungen gestaltet sein müssen, damit es immer mehr möglich wird, kultursensibel schulpastoral zu handeln.
Die modernen lebensfrohen Lieder des Jugendkammerchors Koblenz unter der Leitung von Manfred Faig gaben der Jubiläumsfeier, zu der zahlreiche Vertreter aus Kirche, Schulen und staatlichen Institutionen gekommen waren, eine festliche Umrahmung.
Bildungskongress: Herausforderungen einer pluralitäts- und differenzsensiblen Schulpastoral
Der Jubiläumsfeier war ein Kongress „Pluralitätssensible Schulpastoral angesichts religiöser und kultureller Diversität“ mit über 100 Teilnehmende unmittelbar voraus gegangen. Wer mit ihnen nach Abschluss des Kongresses das Gespräch suchte, konnte den Eindruck gewinnen, dass die vielen Impulse nicht nur zu einem besseren Verständnis von Pluralität und Diversität und ihren einhergehenden Herausforderungen für die Gestaltung des Schullebens und der Schulkultur geführt haben. „In mir herrscht eine kreative Verunsicherung, die sehr anregend ist. Ich werde über vieles nachdenken und mit anderen in meiner Schule darüber sprechen“, so eine Teilnehmerin.
Der Bogen war im Verlauf der Tagung weit gespannt worden, um sich dem Phänomen der Pluralität in der Schulpastoral anzunähern:
Aus schulpädagogischer Perspektive ging die an der Universität Osnabrück tätige Dr. Susanne Müller-Using auf die multikulturelle Situation von Schule ein und appellierte dafür, von den Kinder- und Menschenrechten her die pädagogischen Leitlinien in den Schulen auszurichten. So ergebe sich die Chance, die Verschleierung der strukturellen Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ebenso zu überwinden wie eine unreflektierte Ausübung von Macht. In der Aus- und Fortbildung müsse die Entwicklung einer interkulturellen Kompetenz, die Wissen, Haltungen und Handeln einbeziehe, einen größeren Stellenwert bekommen.
In seiner Response auf diesen Vortrag hob der Religionsdidaktiker Dr. Ulrich Kumher hervor, dass die Erklärung der Bischöfe immer noch aktuell ist, wenn es darum geht, empathiegeleitete Beziehungen zu gestalten und sich mutig der Auseinandersetzung mit fremden Religionen und Kulturen zu stellen. Wichtig sei es, sich in interkulturellen und interreligiösen Überlappungssituationen der Sensibilität für das Humanisierungspotenzial von Religionen und für ihre Ressourcen Lebenssinn und Gemeinschaftsförderung bewusst zu sein und diese situationsbezogen einzuspeisen.
Mit dem Vorsatz, durch seine soziologische Analyse zu provozieren, ging der an der Koblenzer Universität lehrende Prof. Dr. Winfried Gebhardt auf die religiöse und kulturelle Pluralisierung ein, die sich aus Transformationsprozessen und darin befindlichen Binnendifferenzierungen ergeben und die Individuen sowie die Gesellschaft betreffen. Er fragte die Anwesenden, ob sie bereit sind, die Pluralität als Realität und Ausgangspunkt für das eigene Handeln anzuerkennen. Die „extensive Ausbreitung religiöser Indifferenz“, die „Selbstermächtigung des religiösen Subjektes“ und auch das Kopieren von heiligen Orten und Zeiten in andere Kontexte wie die Popkultur provozieren seiner Meinung nach die Schulpastoral zur Selbstvergewisserung und zu einer klaren Profilierung. Sie sei zudem gefordert, den Gefahren des Werterelationismus durch ein überzeugendes Auftreten zu begegnen.
Dass schulpastorale Ansätze und Projekte in der Lage sein können, pluralitätssensibel konkrete Situationen zu gestalten, wurde am Abend deutlich: Aus der Fritz Philippi-Grundschule in Breitscheid stellten sechs Schülerinnen und Schüler ihre Überlegungen, Initiativen und Erfahrungen vor, die sie beim Einüben des gegenseitigen „Wahrnehmens und Ansehens“ in einer multikulturellen und vielfältig religiösen Schule gewonnen haben. Die sechs Jugendlichen stammen z.T. aus einer sogenannten „Flüchtlings-„ bzw. Integrationsklasse. Sie wurden begleitet von ihrer Religionslehrerin und Schulseelsorgerin Sabine Schüller.
Die Schulleiterin der katholischen Marienschule in Offenbach, Marie Luise Trocholepczy, berichtete von den eindrucksvollen Erfahrungen, die in der Schule gemacht wurden, seit die Entscheidung gefallen war, auch jüdische und muslimische Mädchen in die Schule aufzunehmen.
Ebenfalls erfahrungsbezogen gestaltete die Ordinariatsrätin der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Ute Augustyniak-Dürr, den Einstieg in den zweiten Tag des Kongresses durch einen Perspektivenwechsel. Sechs Jahre hatte sie mit ihrer Familie an der Grenze zu Israel in Palästina Erfahrungen in einer fremden Kultur gesammelt. Daraus hat die Leiterin der Hauptabteilung Schulen einen „interkulturellen Code“ entwickelt: Für das Gelingen der Begegnungen seien vor allem das gegenseitige Interesse und eine wechselseitige Wertschätzung, Respekt und eine Dankbarkeit von großer Bedeutung. Zu den zentralen Aufgaben der Schulpastoral zählt aus ihrer Perspektive das Bemühen, Menschen auf dem Hintergrund ihrer Lebenswelt zu verstehen und friedensstiftend zu wirken.
Bereits der Titel „Religionen-sensible Schulpastoral als Beitrag zu einer humanen Schulkultur“, den der Wiener Religionspädagoge Prof. Dr. Martin Jäggle seinem Vortrag gegeben hatte, weist darauf hin, dass neben der Pluralitätssensibilität als soziologischem Zugang, in Schulen die Frage nach der Religionen- und Religionssensibilität zu stellen ist. Er plädierte nicht nur dafür, dass Humanität sich in einer Offenheit für die Welt, die Zukunft und die Transzendenz zeige, sondern auch das Fragmentarische berücksichtige, vor allem, wenn Leid, Trauer und Schuld im Schulalltag vorkommen. „Humanität zeigt sich im Umgang mit Schwäche“, fügte Jäggle in Anlehnung an den Schulpädagogen Fritz Bohnsack hinzu. In seinem Vortrag setzte er sich überzeugend für einen Ansatz der Differenzsensibilität ein. Nicht die Pluralität stelle das Problem dar, sondern der Kontext, in dem Menschenrechte be- oder missachtet werden. Die Differenzierung sei in der Lage, die scheinbare Gleichheit und damit die Gleichgültigkeit zu entlarven. Auf dem Hintergrund der Reich-Gottes-Botschaft gehe es darum, Handlungsmöglichkeiten als christliche Optionen zu gewinnen und zu bewerten.
Nachdem die Teilnehmenden im Gespräch miteinander die neu gewonnen Impulse aufgenommenen und im Blick auf die Zukunft der Schulpastoral wichtige Themen- und Fragestellungen fokussiert hatten, wurden in der Bilanz der Tagung die Inhaltlichen Impulse mit der konkreten Praxis und den Anforderungen, die sich hieraus für die Weiterentwicklung der Schulpastoral ergeben, in einen Bezug gesetzt:
Dr. Winfried Verburg , Abteilungsleiter „Schule Hochschule“ in der Diözese Osnabrück und Dr. Beate Thalheimer , Referentin für Schulpastoral in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, fassten die Ergebnisse zusammen und schlugen den Bogen zur schulpastoralen Praxis in den Bistümern. Dabei wurde deutlich, dass die Kommunikation mit evangelischen und mit staatlichen Kooperationspartnern verbessert werden soll. Verstärkt müsse in den anderen Religionen nach geeigneten Kooperationspartnern gesucht werden. Außerdem bestehe mit Blick auf öffentliche Schulen und auf Schulen in kirchlicher Trägerschaft ein Entwicklungsbedarf , der der Klärung der differenzierten Profile schulpastoralen Handelns dienen solle. Festgestellt wurde darüber hinaus, dass die Schulpastoral als pastorales Handeln bei den Menschen am Ort Schule in der wissenschaftlichen Forschung und in der innerkirchlichen Öffentlichkeit bislang zu wenig Beachtung finde.
Die aufgeworfene Themen und Fragen der Tagung nahmen die 25 anwesenden Referentinnen und Referenten für Schulpastoral aus dem gesamten Bundesgebiet für die Weiterarbeit, die Vertiefung der Ergebnisse und deren Transfer in die Praxis mit zu der sich anschließenden Bundesfachtagung Schulpastoral in Vallendar.
Bundesfachtagung der Schulpastoralreferentinnen und -referenten
Die Gesamtkonzeption des Veranstaltungs-Tetrapacks verfolgte die Anliegen, schulpastorale Theorien weiter zu entwickeln, das Jubiläum zu feiern und die gewonnenen Erkenntnisse in eine pluralitäts- und differenzsensibel Theorie und Praxis der Schulpastoral in Deutschland zu überführen. Zunächst wurden bei der Fachtagung die gewonnen Erkenntnisse und Fragen zusammengefasst. Intensiv wurde die Frage behandelt, wie es gelingen kann, die eigenen Fähigkeiten und Haltung so weiter zu entwickeln, dass differenzsensibel wahrzunehmen und zu handeln zu einem selbstverständlichen Bestandteil der konkreten schulpastoralen Praxis werde. In diesem Zusammenhang erörterten die Anwesenden die Möglichkeiten einer pluralitäts- und differenzsensiblen Aus-, Fort- und Weiterbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Schulpastoral. Dr. Beate Thalheimer referierte flankierend Ergebnisse der jüngsten Studie, die eine Weiterentwicklung der schulpastoralen Handlungskompetenz und ihrer Handlungsorientierung intendiert.
Am Ende der Bundesfachtagung stand schließlich der Vorsatz der in den Bistümern tätigen Schulpastoralreferenten und -referentinnen, Schulpastoral als kreatives und innovatives zeitgemäßes christliches Handeln an Schulen bekannter zu machen und die Erkenntnisse und Erfahrungen, die in Projekten und Initiativen gewonnen werden, bundesweit besser zu vernetzen.
Dr. Beate Thalheimer
Literaturangaben
- Die deutschen Bischöfe, Kommission für Erziehung und Schule: Schulpastoral – der Dienst der Kirche an den Menschen im Handlungsfeld Schule, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1996.
- A. Kaupp / G. Bussmann / B. Lob / B. Thalheimer (Hg): Handbuch Schulpastoral, Freiburg 2015.