Haibach/Würzburg (POW) Energisch stößt Dominik die Schaufel in den schweren, lehmigen Boden. Neben ihm schichten einige Mädchen sorgsam Steine zu einer niedrigen Wand auf. Aus einem tragbaren Radio dröhnen die aktuellen Hits. „Guck mal!", ruft Katrin plötzlich und hebt einen Stein mit zwei schwarzen Strichen hoch, den sie im Matsch gefunden hat. „Leg ihn in den Korb zu den anderen", sagt Julitta Burdack, Religionslehrerin im Kirchendienst an der Mittelschule Haibach. Gemeinsam mit Gemeindejugendpfleger Raci Balikci leitet sie das örtliche Projekt im Rahmen der 72-Stunden-Aktion „Uns schickt der Himmel" des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ): Ein Dutzend Kinder aus den siebten und achten Klassen wollen innerhalb von 72 Stunden eine begehbare Kräuterschnecke, ein Hochbeet und einen „Naschgarten" mit Obststräuchern in der Abenteuerfarm „Knochengarten" bauen. In einem Kistchen warten Zitronenmelisse und Salbei, Thymian und Lavendel darauf, eingepflanzt zu werden.
Kirchliche Jugendarbeit findet heutzutage nicht mehr nur im Pfarrheim oder in kirchlichen Jugendgruppen statt. Kirche sei ein „wichtiger und kompetenter Partner" für die Schulen geworden, ist die Erfahrung von Helga Neudert, Referentin für Ganztagesschulen im Referat Schulpastoral der Diözese Würzburg. Ein Grund dafür ist auch der Trend hin zur Ganztagesschule. „Die Schule ist für die Schüler zum Lebensraum geworden", sagt Neudert. Schüler verbringen immer mehr Zeit in der Schule statt in der Familie. Zugleich seien die Ansprüche der Gesellschaft an die Schule gestiegen: Die Ganztagesschule soll Probleme innerhalb der Familie wie auch der Gesellschaft lösen. „Schulpastoral und kirchliche Jugendarbeit können hier wirksame Kooperationspartner sein", sagt Neudert. „Die Kirche und vor allem auch die kirchliche Jugendarbeit haben große Ressourcen und eine gute Infrastruktur. Diese können gerade im Bereich der Ganztagessschule überlegt und gezielt eingesetzt werden." Besonders bei Themen wie ganzheitliche Bildung, spirituelle Begleitung und Achtung vor anderen Kulturen habe die Kirche viel zu bieten.
Die ganze Vielfalt kirchlichen Engagements in der Schule zeigt zum Beispiel auch der „living room", die Ganztagsbildung am Schulzentrum Haßfurt. In einem eigenen Gebäude, dem „Silberfisch", werden rund 200 Schüler von Mittel- und Realschule sowie Gymnasium von einem zwölfköpfigen Team betreut. „Es ist ein bunt gemischtes Team aus pädagogischen Fachkräften", sagt Leiterin Tina Lorz. Bunt gemischt auch darin, dass die Mitarbeiter sowohl von der katholischen wie der evangelischen Kirche kommen: „Beide Kirchen sind Kooperationspartner der Schulen." Aus der anfänglichen Hausaufgaben- und Nachmittagsbetreuung, 1998 vom katholischen Religionslehrer und der evangelischen Religionslehrerin initiiert, ist ein breites Angebot an Freizeitaktivitäten und Workshops entstanden. So wurde in diesem Schuljahr beispielsweise das dreitägige Projekt „Respekt" mit Workshops für alle siebten Klassen angeboten. Und im „Mädchen Power"-Kurs lernen junge Mädchen nicht nur Selbstverteidigung, sondern stärken auch ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstwahrnehmung.
Das Beispiel Haßfurt zeigt, dass vor allem Religionslehrer - beider Konfessionen ‑ den Kontakt zwischen Schule und Kirche herstellen können. Für Neudert sind diese wichtige Brückenbauer: „Sie kennen sowohl die Schulen wie auch die Kirche als Institution. Sie sehen, wo es Möglichkeiten zur Kooperation gibt, und können diese initiieren." Seit Herbst 2011 werden deshalb regelmäßig Treffen zwischen Religionslehrern und den Regionalstellen der kirchlichen Jugendarbeit angeboten, bei denen die Regionalstellen ihre Angebote vorstellen und Möglichkeiten der Vernetzung diskutiert werden. „Katholische und evangelische Religionslehrer arbeiten in der Regel sehr eng zusammen", sagt Neudert. Auch die daraus entstehenden Angebote seien für alle Schüler da, egal welcher Konfession oder Religion: „Wichtig ist, dass der Mensch im Mittelpunkt steht."
„Was brauchen die Menschen an unserer Schule?" Diese Frage steht auch im Mittelpunkt der zweijährigen „Weiterbildung Schulpastoral", die bereits zum fünften Mal von Helga Kiesel und Ulrich Geißler vom Referat Schulpastoral angeboten wird. Die Teilnehmer analysieren die Situation an ihrer Schule und entwickeln ein Konzept für ein Projekt, das anschließend auch durchgeführt wird. „Sie arbeiten aber auch an ihrer eigenen Schul- und Glaubensgeschichte", sagt Geißler. Die Teilnehmer sind Religionslehrer im Kirchendienst, Gemeinde- und Pastoralreferenten, Diakone und Priester, aber auch Lehrer von staatlichen Schulen. „Wir arbeiten mit hochmotivierten Leuten", lobt Kiesel. Mitarbeiter im Kirchendienst, die die Fortbildung erfolgreich absolvieren, erhalten anschließend von der Diözese Würzburg Anrechnungsstunden für die Schulpastoral an ihrer Schule. Auch Julitta Burdack nimmt am aktuellen Weiterbildungskurs teil.
Aber auch die Landesregierung fördert die Zusammenarbeit von Schulen und Kirche. So gibt es zwischen dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und den bayerischen (Erz-)Diözesen eine Rahmenvereinbarung. Darin ist festgeschrieben, dass das Ministerium die Bestrebungen unterstützt, Angebote der katholischen Kirche sowie kirchlicher Verbände und Einrichtungen in das pädagogische Konzept der Ganztagesschulen zu integrieren. Das soll zur Erweiterung des Schulprofils beitragen. Man kann es auch anders ausdrücken: „Schulpastoral ist ein Geschenk der Kirche für die Schulen", sagt Neudert.
Kerstin Schmeiser-Weiß (POW)